|
Im Jahr 1893 wurde am westlichen Stadtrand von Warschau in Polen eine Fabrik für
Spezialarmaturen gegründet, die später unter dem Namen „URSUS“ (lat.“Bär“)
bekannt werden sollte. Das Startkapital bezogen die 7 Firmengründer
interessanterweise aus der Mitgift ihrer 7 Töchter. Hergestellt wurden neben
Armaturen für die Zucker- Lebensmittel- und Branntweinindustrie auch
Ausrüstungen für die Wasserwirtschaft. Mit der Aufnahme der Produktion von
Verbrennungsmotoren im Jahr 1902 änderte sich das Produktionsprofil des Werkes
und es wurde deutlich vergrößert. Neben Motoren wurden nun auch Omnibusse,
Motorräder, Lastkraftwagen und Zugmaschinen hergestellt, der Betrieb wurde so
zum Hersteller von Nutzfahrzeugen. Die Motoren-Palette erreichte bis 1913 eine
große Vielfalt, Motoren von 5 bis 460 PS Leistung waren erhältlich,
Hauptabnehmer dieser Zeit war vor allem das zaristische Russland. Ab 1918 begann
man mit der Entwicklung der ersten Traktoren, welche 1922 zur Serienreife
gelangen. Die Schlepper wurden unter dem Namen „Ciagownik“ ausgeliefert und von
einem Zweizylinder-Ottomotor mit 25 PS angetrieben. Seit 1923 firmierte das Werk
dann unter dem Namen Zakłady Mechaniczne „URSUS“ S.A (Mechanisches Werk „URSUS“
Inc). Anfang der 1930er-Jahre kam das Werk jedoch in Finanzschwierigkeiten
weshalb es verstaatlicht und in „Staatliche Ingenieurwerke Ursus“ umbenannt
wurde. Im II. Weltkrieg wurde das URSUS-Werk größtenteils zerstört, ab 1945
begann der Wiederaufbau der Produktionsstätten. Den Schwerpunkt sollte nun der
Bau von Traktoren bilden, und so verließen nach 2-jähriger Entwicklungs- und
Bauzeit am 01. Mai 1947 die ersten Traktoren die Werkhallen des wieder unter dem
traditionsreichen Namen Mechanisches Werk „URSUS“ firmierenden Betriebes.
Vorbild des ersten Nachkrieg-Schleppers mit der Bezeichnung LB-45 war der
Lanz-Bulldog D 9506 mit seinem Einzylinder-Glühkopfmotor mit 45 PS, von dem
viele Exemplare während des Krieges nach Polen gelangten und von den Besatzern
dann zurückgelassen wurden. Die Bezeichnung LB-45 hatte aber nu kurz bestand und
wurde in URSUS C-45 geändert. Auch technisch erfuhr der Typ im laufe der Zeit
einige Änderungen, so wurde ab 1956 neben einer verstärkten Vorderachse auch ein
elektrischer Anlasser sowie eine hydraulische Aushebevorrichtung angeboten. Bis
1959 wurden 60.000 Stück dieses Typs ausgeliefert. Ab 1957 entwickelte das Werk
aber auch eine Reihe eigener leichter Traktoren die vornehmlich zu
Pflegearbeiten zum Einsatz kamen. Basis dieser Reihe war der URSUS C-325.
Angetrieben wurde dieser in Blockbauweise gefertigte Typ, von einem
Zweizylinder-Dieselmotor mit 25 PS Leistung. Der von diesem Modell abgeleitete
URSUS C-335 wurde auch in die DDR importiert, er wurde dort vorzugsweise im
Obstanbau eingesetzt.
|
|
 |
Ab 1966 wurde der URSUS C-335
gebaut, er sollte vornehmlich als leichter Pflege-schlepper zum Einsatz kommen.
Das Modell wurde von einem eigenen, in den Ursus-Werken hergestellten
Zweizylinder-Diesel- motor vom Typ S-312C mit 35 PS, angetrieben. Das Getriebe bot
insgesamt 6 Vorwärts- und 2 Rückwärtsgänge mit einem Fahrbereich von 1,87 bis
23,44 bzw. 1,57 bis 6,36 km/h. Zur Ausrüstung gehörten eine Zapfwelle sowie die
Hydraulikanlage mit Kraftheber und freien Anschlüssen. Die in die DDR
importierten Modelle kamen über- wiegend in Gärtnerei bzw. Obst- und
Gemüse-anbaubetrieben zum Einsatz. Hier bereitet ein URSUS C-335 mit der
Anbau-Bodenfräse U 500/1-1,6 "SOLGER", ebenfalls aus polnischer Produktion, das
Saatbett vor. |
Neben Polen waren auch andere Ostblockstaaten Mitglied des Rates für
gegenseitige Wirtschaftshilfe, kurz RGW genannt. Wirtschaftlich stärkere Länder
sollten so schwächer gestellte Länder unterstützen. Dies führte im Jahr 1962 unter
anderem zu einem Regierungsabkommen mit der CSSR, in deren
Folge das URSUS-Werk Schlepper in Lizenz der Firma Zetor aus Brno bauen durfte.
Erste Früchte dieser Zusammenarbeit mündeten 1965 in der Fertigung des URSUS
C-4011 (42 PS) auf Basis des Zetor 4011. Dieser Typ war auch die Basis für den
Ende 1970 vorgestellten URSUS C-350 (50 PS), der anfangs noch optisch an den
Zetor mit seiner runden Motorhaube angelehnt war, dann aber auch die moderner
wirkende URSUS-Maske bekam. Neben der leichten Baureihe begann ab 1969 auch die
Fertigung eines Schleppers mit mittlerer Leistung. Der als C-385 bezeichnete Typ
entstand in Halbrahmenbauweise und leistete 76 PS, sein tschechisches Vorbild hörte auf die Bezeichnung Zetor 8011. Der Typ
wurde auch in einer Allradversion als URSUS C-385A gefertigt.
|
 |
Größere Schlepper ab 80 PS
Leistung baute Ursus nach einem Abkommen mit Zetor in Lizenz des tschechischen
Herstellers. Der ab 1972 gefertigte URSUS C-385/C-385A ist insofern baugleich
mit Zetor 8011 bzw. Zetor 8045 in der Allradausführung. Den Motor Z 7501, einen
Vierzylinder-Diesel, fertigte man jedoch nicht selbst, sondern bezog diesen noch
von Zetor, er stellte 80 PS bei 2200 U/min zur Verfügung. Der in
Halbrahmen-bauweise gefertigte Schlepper war nun auch für schwerere Arbeiten wie
Bodenbearbeitung, Transport, Aussaat und Saatbettbereitung geeignet. Neben 8
Vorwärtsgängen standen 4 Rückwärtsgänge zur Verfügung. Hier kam er mit dem
Anhängelader „CYKLOP“ zum Verladen von Stalldung zum Einsatz, ein URSUS C-360
übernahm mit einem Dung-
streuanhänger die Verteilung der „duftenden“ Fracht. Der C-385 wurde bis 1983 hergestellt und vereinzelt auch in die DDR
importiert. |
Die Traktorenpalette wurde ab 1973 vom URSUS C-1201 mit 115 PS, einem Schleppers
der schweren Klasse, sowie seinem Vierradgetrieben Pendant C-1204 ergänzt. Zu
Beginn der 1970er Jahre begann URSUS auch eng mit den Baumaschinenhersteller WARYŃSKI aus Warschau zusammenzuarbeiten. Dieser stellte auf Basis des URSUS
C-4011 den Traktorbagger KSH-45 her, der später zum KSH-45A modifiziert wurde.
Mitte 1970 wurde diese Produktion zum Baumaschinenwerk nach Ostrówek verlagert. Der dort gefertigte Typ K-161N galt als
Übergangslösung und basierte noch auf dem C-355.
|
 |
Der URSUS C-355 wurde nicht
nur als Schlepper ausgeliefert, er diente dem Baumaschinenhersteller in Ostrówek
(Polen) als Basis für den Traktorbagger K-161N. Dieser Typ fand in vielen
Bereichen der Bauwirtschaft Verwendung, auch in der DDR wurde er ab Mitte der
1970er Jahre importiert und vor allem in der Melioration eingesetzt. Motor
(S-4002, 55 PS) und Getriebe (10+2 Gänge) blieben unverändert. Heckseitig wurde
er mit einem seitenverschiebbaren Heck- bagger ausgestattet. (Standardlöffel 0,18
m³, max. Grabtiefe 3,38 m) Einen sicheren Stand während der Arbeit
gewährleistete eine hydraulische Abstützung. Für Lade- und Planierarbeiten
konnte die an der Front montierte 1850 mm breite Ladeschaufel mit einem
Ladevolumen von 0,4 m³ genutzt werden. Die maximale Ausschütthöhe von 2,60 m
reichte zur Beladung von Lkw oder Anhängern aus. |
Ab 1976 bildete dann der URSUS C-360 die Basis für den neuen K-162. Alle
genannten Typen wurden auch mehr oder weniger, vom KSH-45A waren es über 1000
Stück, in die DDR importiert. 1974 schloß das URSUS-Werk einen Lizenzvertrag mit
Massey-Ferguson ab, kurze Zeit später folgte ein weiterer mit der Firma Perkins.
Der erste Typ den Ursus nun in Perkins-Lizenz herstellte war der URSUS MF 235 mit einem Dreizylinder Perkins-Diesel mit 38 PS. Intern
bezeichnete der Hersteller diesen Typ als URSUS 2812, der jedoch nicht sichtbar
am Schlepper zu finden war. Einzig der Schriftzug „URSUS“ an der Motorhaube wies
auf den polnischen Hersteller hin. Die Fertigung der MF-Schlepper baute URSUS
konsequent aus und reicht bis in die Gegenwart. Nach dem ab 1984 hergestellten
Modell MF 255 (47 PS) stellte URSUS die Bezeichnung jedoch auf die auch
äußerlich sichtbare eigene Typbezeichnung um. Erster derart gebauter Typ war der
URSUS 4512 hinter dem sich der MF 275 verbarg, stärkstes Modell dieser Reihe war
der ab 2007 gefertigte URSUS 7524 mit 100 PS. Mit der Fertigung der
Perkins-Dieselmotoren überarbeitete URSUS auch seine eigenen Schlepper. Das
Modell C-360 bot der Hersteller z.B. ab 1981 mit einem Dreizylinder-Perkins-Dieselmotor unter der Bezeichnung C-360-3P an.
|
 |
Die gestiegenen Anforderungen
in der Landwirtschaft erforderten bald leistungs- fähigere Traktoren. Der seit
1969 hergestellte URSUS C-350 (50 PS) wurde 1976 zum C-360 weiterentwickelt. Der
Vierzylinder-Dieselmotor S-4003 leistete nun 52 PS. Das bewährte Getriebe mit
insgesamt 10+2 Gängen wurde jedoch ebenso wie die Kraftheberanlage mit Lage-,
Widerstand- und Mischregelung beibehalten. Optisch stach die neue
Motor- verkleidung hervor, der C-350 war noch mit runder „Nase“ in Zetor-Lizenz
gefertigt worden. 1981 wurde der Typ modifiziert als URSUS C-360-3P angeboten,
u.a. bekam der Typ einen Dreizylinderdiesel AD 3.152 UR nach Perkins-Lizenz mit
47 PS sowie eine feste Kabine. Der abgebildete URSUS C-360-3P wurde in seinem
Heimaltland Polen angetroffen und präsentierte sich in einem durchaus guten
Pflege-Zustand. |
Seine eigene Schlepperreihe überarbeitete der Hersteller ab 1980 und umfasste
nun die Modelle URSUS 902, 1002 und 1212 welche mit Leistungen von 75, 100 und
112 PS als Hinterradgetriebe Varianten erhältlich waren. Ergänzt wurde diese
Palette von den Allrad-Varianten URSUS 904, 1004 und 1214 sowie dem URSUS 1604
der oberen Leistungsklasse mit 150 PS. Diese Reihe basierte auf den bei ZTS
Martin in der Slowakei hergestellten Schleppern, welche jedoch über Zetor Brno
vertrieben wurden.
|
 |
Ab 1986 führte URSUS
eine neue Traktorenfamilie mit hoher Leistung im Bereich von 77 bis 152 PS ein. Zu dieser
Reihe gehört auch der hier abgebildete URSUS 1224, die Allradvariante des Ursus
1222. Grundlage dieses Typs war der Zetor 12145 von ZTS Martin aus der Slowakei.
Der Sechszylindermotor Z 8701.1 gab 115 PS ab, das mechanische Schaltgetriebe
mit zusätzlichem Drehmomentverstärker bot insgesamt 16+8 Gänge. Eine Zapfwelle
mit 540 bzw. 1000 U/min war ebenso Standard wie die Hydraulik mit Dreipunktanbau
der Kategorie II. Die Hubkraft an den unteren Lenkern gab der Hersteller mit 39
kN an und war hier für die Arbeit mit der Brenig-Kreiselegge und aufgebauter SAXONIA-Drillmaschine A 215 A20 völlig ausreichend. Die Bereifung der Dimension
18,4-34 hinten und 14,9-24 vorn war ausreichend bemessen. |
 |
Ab 1990 bot URSUS die
komplette Traktoren-Palette in überarbeiteter Form an. Der hier abgebildete
URSUS 1234 entstand als Weiter- entwicklung aus dem bereits vorgestellten URSUS
1224. Die wichtigsten technischen Änderungen betrafen den modifizierten Motor Z
8701.12 mit verbesserten Verbrauchs- und Kennwerten, das Getriebe war nun
synchro- nisiert und wurde mittels hydraulischer Kupplung betätigt, außerdem
konnte Frontseitig eine Zapfwelle mit Dreipunkt angebaut werden. Dem Fahrer nahm
in einer neuen komfortablen Kabine mit höhen-verstellbarem Lenkrad und ausstellbarer Dachluke und Scheiben Platz. Der auch optisch aufgewertete Typ
wartet hier mit einer AMAZONE-Drillmaschine auf den nächsten Einsatz. Mit
Turbolader ausgestattet wurde dieses Modell als URSUS 1634 mit 155 PS angeboten. |
Mitte der 1980er Jahre wurde diese Reihe überarbeitet und unter den
Bezeichnungen URSUS 912 bis 1614 mit 77,6 bis 151,5 PS angeboten. Neben
Verbesserungen am Motor, einhergehend mit einer Leistungssteigerung von etwa 2
PS wurde auch die Hydraulikanlage überarbeitet, die Hubkraft des Krafthebers
erhöht und serienmäßig eine Hitch-Kupplung für sattellastige Anhänger verbaut.
Weitere Modernisierungen wurden 1990 wirksam, die neue Reihe bestand aus 10
Typen mit Motor-Leistungen von 80 bis 153 PS. Optisch stachen die neuen Modelle
durch ihr verändertes Design hervor, zwar noch kantig, aber nicht mehr von Zetor
übernommen und somit ein erster Schritt in Richtung „Eigenkreation“. Am 01. Januar
1998 wurde das Werk in die ZPC URSUS S.A umbenannt. Die Modellpalette wurde nun
weiter ausgebaut, modernisiert und das Design mit modernen Verkleidungen und
Ausstattungen an westlichen Standards herangeführt. Übrigens existierte auch auf
deutschem Boden eine Firma Namens „Ursus“. In Wiesbaden wurde 1947 das Ursus-Traktorenwerk gegründet. Basis der Traktoren bildeten
unter anderem Motoren von MWM sowie Getriebe und Achsen von ausgemusterten Militärfahrzeugen. Doch die
Namensgleichheit mit dem polnischen Hersteller führte 1950 zur Umbenennung in
„Ursus GmbH“. Im Jahr 1956 übernahm der Konstrukteur Wilhelm Anton Erkelenz den
Betrieb und firmierte unter Ursus-Traktoren-Werk Erkelenz & Co. weiter. Doch
schon 1 Jahr später wurde die Fertigung von Traktoren eingestellt. Aus dem
Betrieb gingen Schlepper wie der Ursus B28, Ursus B40 und Ursus C10 Bambi
hervor. Als Generalimporteur für die polnischen URSUS-Schlepper in Deutschland
ist heute noch die Meinicke Landtechnik & Service GmbH mit Sitz in Pritzwalk
tätig. (www.meinicke-landtechnik.de)
Jan Welkerling, Nürnberg (www.ddr-landmaschinen.de)
|
Diesen Artikel hatte ich seinerzeit exklusiv für die Zeitschrift
"Schlepper-Post" geschrieben.
Er wurde in der Ausgabe 3/2010 (Mai/Juni) abgedruckt. |
 |
|